Eines wundertollen Abends liefen Freunde und ich durch eine überfüllte Flohmarkthalle, um wahllos unser Geld auszugeben. Und es war reiner Zufall und reines Glück, dass ich bisher nur eine Kette und noch irgendwas gekauft hatte, weil so hatte ich noch ungefähr genau 15 Euro in der Tasche, als ich an diesem einen Tisch vorbeilief.
Zwei Männer standen dahinter. Einer hatte eine Glatze und einer eine Kappe. Oder vielleicht hatten auch beide eine Glatze oder beide eine Kappe.
Auf dem Tisch vor ihnen stand ein schwarzer Kasten. Ein sehr großer und sehr geöffneter schwarzer Kasten, in dem eine Schreibmaschine stand. Eine wunderschöne Lady mit nach innen gewölbten Tasten, und ich bin mir im Nachhinein sicher, dass jeder sie bewundernd angestarrt hat. Niemand hat sie gekauft.
Und ich habe sie bewundernd angestarrt und fast einen inneren Ausraster bekommen, weil sie so schön war. Und um mich herum standen diese ganzen Leute, die mich ganz genau kannten, und wollten, dass ich sie kaufe.
20 Euro, sagte der Mann. Der mit der Kappe.
Ich habe genickt und ihn ein bisschen ausgefragt, über Tasten und Farbbänder und so. Und dann bin ich fürs erste weitergegangen.
Sie ist so groß, dachte ich. Sie ist so schwer. Und ich werde sie letztendlich niemals benutzen. Sie wird nutzlos in meinem Zimmer stehen und mir meinen Platz wegnehmen. Genau der Grund, weshalb sie überhaupt auf diesem Flohmarkt gelandet ist.
Und dann habe ich meinen Papa angerufen. Und ihn gefragt, ob es absolut dumm oder absolut schlau wäre, eine Schreibmaschine auf einem Flohmarkt zu kaufen. Für 20 Euro. Aber ihr Farbband geht auch nicht mehr.
Und weil mein Papa wahrscheinlich wusste, dass ich es ernsthaft bereuen würde, sie auf diesem Tisch stehen zu lassen, bin ich nochmal zu dem Tisch zurückgegangen, mit meinen 15 Euro in der Tasche, und habe das Ganze ein bisschen runtergehandelt. Weil, nicht funktionierendes Farbband.
Am Ende hat der Mann mit der Glatze den Mann mit der Kappe davon überzeugt, dass sie kaum ein viel besseres Geschäft werden machen können, und mir die Schreibmaschine für 15 Euro überlassen.
An diesem Abend bin ich mit einer hängenden Schulter, wegen des schweren schwarzen Kastens, und einem kleinen Grinsen nach Hause gefahren.
Ich hatte recht.
Ich habe ein neues Farbband gekauft, die Schreibmaschine Walpurga getauft, das Farbband ausprobiert und sie dann auf einen Stuhl gestellt.
Ein paar Monate später stand sie dort immer noch. Ohne noch einmal geöffnet worden zu sein, bedeckt von Klamotten.
Letzte Woche hatte ich Besuch von der lieben Cellie. Vor Monaten hatte sie mich dazu überredet, ein Gedicht zu schreiben. Seitdem hat sie selber mehr davon geschrieben als ich bis dahin in meinem gesamten Leben.
Cellie hat Walpurga auf dem Stuhl entdeckt und sie runtergehoben und den Kasten geöffnet. Dann hat sie eines ihrer Gedichte eingetippt.
Ich habe das gleiche gemacht. Zuerst mein allererstes überhaupt namens “Pinke Wolle” und das fand ich dann so schön, dass ich es eingerahmt habe. Dann habe ich angefangen, neue Gedichte zu schreiben. Sie eingetippt, eins nach dem anderen. Bald war der Boden mit weißen Blättern und kleinen schwarzen Buchstaben übersäht, die sich dicht aneinanderdrängten und aussahen wie die personifizierte Ästhetik. Also, vielleicht nicht personifiziert, aber papierifiziert.
In dieser Nacht habe ich mehr Gedichte geschrieben als irgendwann zuvor. (Unter anderem „Walpurga”.) Am Ende der Nacht war das Farbband leer.
Walpurga steht jetzt nicht mehr auf dem Stuhl. Sie steht auf dem Boden neben dem Stuhl, wo sie ihren eigenen kleinen Platz besetzt hat und darauf wartet, dass jemand ihr Farbband wechselt und weiterschreibt.
Anmerkung: irgendwann waren die Buchstaben rot und unsere Finger schwarz und ich glaube, ich schulde dir ein Farbband.
P.S.: Walpurga, ich liebe dich und freue mich auf weitere Arbeit mit dir und Mare.
Anmerkung: Ich glaube, du schuldest mir eine Begegnung mit Lyra. PS: Lyra, du bist echt süß und ich hab dich lieb und ich freue mich auf zukünftige Arbeit mit dir und Cellie.
Walpurga war für dich bestimmt, darum hat sie keiner gekauft. Wie schön, dass ihr euch gefunden habt.
Das nächste Farbband kommt sicher bald 🙂
Ganz bestimmt, haha 😀
Was für ein hübscher Text! Ich freue mich auf das dazugehörige Gedicht.
Vielen Dank! Und das Gedicht kommt bald 😀