Die Tatsache, dass ich manchmal eventuell minimal zu Perfektionismus neige, ist mein Freund und Feind zugleich. (Eine blöde Metapher, ich weiß, total ausgelutscht und so.) Deswegen, warum analysieren wir das Ganze nicht einmal ein bisschen?
Halten wir an der blöden Metapher, die total ausgelutscht ist, fest. Perfektionismus als Feind zu bezeichnen, klingt nicht schön. Deswegen bezeichne ich ihn jetzt mal als Freund. Mein Freund, der Perfektionismus, der hinter meiner Stirn seine Hyperaktivität manchmal nicht in den Griff bekommt. Wenn ich diesen Freund in meinem Kopf visualisieren, personifizieren, was auch immer müsste, dann sähe er in etwa so aus: Klein und knuffig, mit diesen niedlichen Knautschbacken. Vielleicht hat er auch einen violetten, absolut fancy Hut auf. Ich meine, er stammt von mir ab, da wird er ja auf eine Art fantastisch sein.
Ich bin gerade am Überlegen, ob er vielleicht noch einen Namen braucht.
Ja. Braucht er. Definitiv.
Ich meine, wir sind gerade dabei, uns durch diesen Blogbeitrag so richtig kennenzulernen. Also, visuell.
Hmm.
Archie. Er heißt Archie.
Perfekt. Also, Archie sitzt da oben, und immer, wenn ich irgendetwas, hm, kreiere, will er das letzte Wort behalten. Und sein letztes Wort ist meistens, dass das noch nicht gut genug ist. (Hey, Archie, es ist übrigens voll okay, das letzte Wort behalten zu wollen. Nur sieh zu, dass es ein tolles letztes Wort ist. Wenn möglich, positiv. )
Aber Archie, ich hab dich lieb (meistens). Du bist schließlich in meinem Kopf und deswegen mache ich mir das Leben nicht so schwer, dich nicht lieb zu haben (meistens).
Die Vorteile daran, einen Archie im Hirn zu haben
Fakt ist ja, wenn ich etwas schreibe, oder sonstigen kreativen Tätigkeiten nachgehe, will ich, dass das Endergebnis so gut wie möglich wird. Also verdammt gut und noch viel besser. So gut, wie es überhaupt nur möglich ist.
Schon aus Prinzip lasse ich einen ersten Entwurf niemals nur einen ersten Entwurf sein. Während eines ersten Entwurfs habe ich nämlich Gedanken, die mich ablenken, Blackouts, und schreibe jede Menge Formulierungen in einen Text, die in gewisser Sorte Platzhalter für bessere Dinge sind. Und natürlich auch Formulierungen, die Schrott sind. Um genau zu sein, jede Menge Schrott.
Und ich bin mir sicher, dass es in dem Fall nicht Archie, sondern mein gesunder Menschenverstand ist, der mich dazu bringt, diesen Schrott zu entfernen. Und bestimmt ist es auch mein gesunder Menschenverstand, wegen dem ich aus dem Schrott etwas besseres mache. Ich habe diesen Text schließlich nicht geschrieben, um ihn wegzuschmeißen.
Was für eine Zeitverschwendung das wäre.
Nach dem ersten oder zweiten Mal überarbeiten könnte ich den Text dann als gut bezeichnen. Ich könnte ihn liegen lassen, mir auf die Schulter klopfen, und dann etwas anderes tun. Aber das will Archie nicht, denn hier kommt er ins Spiel. Archie findet den Text zwar okay, aber noch nicht gut, und vor allem nicht gut genug. Deswegen überarbeite ich den Text noch ein drittes Mal. So lange, bis ich das Gefühl habe, dass die Details stimmen.
Nach ein paar Tagen schaue ich nochmal drauf, und dann sind da noch mehr Details. Ich gehe sie durch und ändere sie. Und irgendwann findet selbst Archie, dass der Text jetzt gut ist.
Die Nachteile daran, einen Archie im Hirn zu haben
Manchmal findet Archie aber kein Ende. Manchmal ist er mit den Details nicht zufrieden, und mit den geänderten noch viel weniger. Wenn Archie findet, dass etwas noch nicht gut genug ist, weiß er gleichzeitig oft nicht, was genau daran noch nicht gut ist. Die Arbeit bleibt dann an mir hängen, obwohl ich das Problem auch nicht sehe.
Das heißt, wegen meines unguten Bauchgefühls werde ich nach dem Problem suchen, so lange, bis ich es finde, und dann behebe ich es. Manchmal finde ich aber kein Problem. Ich fühle nur, dass es ein Problem gibt. Ich weiß, dass der Text noch besser sein muss, weil ich ihn so ganz unmöglich der Außenwelt präsentieren kann. Jedenfalls ist das das, was Archie mich glauben lässt. (Danke dafür.)
Und wenn ich keine Lust mehr habe, weil ich schlicht nicht vorwärts komme, egal wie lange ich warte und suche und Dinge ändere, lasse ich den Text so, wie er ist. Ich deklariere ihn als fertig. Aber die Folge ist, dass ich ihn nicht gut finde, weil ich immer, wenn ich ihn durchlese, wieder dieses Bauchgefühl bekomme, dass er eigentlich, ganz eigentlich, immer noch Mist ist.
Archie kennt außerdem keine Grenzen in seiner unermüdlichen Suche nach Fehlern. Wenn ich etwas in ein Notizbuch schreibe, das dazu gedacht ist, hübsch auszusehen, sehe ich jedes Mal, wenn ich es aufschlage, nur den misslungenen Buchstaben in der Ecke. Selbst wenn ein Notizbuch auf eine hübsche Art chaotisch und vollgekritzelt sein soll, wenn es so zugeschmiert sein soll, dass es praktisch außerhalb von Archies Reichweite ist, findet er immer noch, dass es nicht zugeschmiert genug ist.

Bei Notizbüchern verschwindet das Bauchgefühl. Irgendwann blättere ich sie durch und finde sie hübsch, egal, was Archie mal darüber gedacht hat. Bei Texten ist das ein bisschen komplizierter. Das ungute Bauchgefühl, das Archie hinterlässt, endet in Gedankenspiralen über meine Fähigkeiten und wie verdammt verkommen sie doch sind. Und es hält, sagen wir, deutlich länger. (Und hier sind wir wieder an der Stelle, lieber Archie, wo ich dir gesagt habe, dass dein letztes Wort ruhig auch mal nett sein darf.)
Perfektionismus bekämpfen?
Ganz einfach. Den Text anderen Menschen geben. Und nein, nicht irgendwem, weil der Text ist ja noch nicht gut genug, um ihn einfach irgendwem zu geben. Gebt ihm jemandem, der brutal ehrlich ist, und vor allem, der eine Ahnung hat von dem, was er sagt.
Entweder die Person wird euch sagen, dass der Text perfekt ist, oder sie sagt euch, was die Probleme sind. Und wenn ihr diese Probleme behoben habt, ist der Text laut dieser Person (das hängt natürlich von der Person ab) perfekt.
Und dann geht ihr weg von den Kritikern und hin zu den netten Menschen und suhlt euch in Komplimenten.
Wenn ihr dafür aber viel zu perfektionistisch seid, weil ihr den Text ja perfekt finden müsst, und nicht andere Leute, dann… äh… ja. Dann erstellt ihr einen Blog und schreibt einen Beitrag über Perfektionismus.
Ich werde immer dann perfektionistisch, wenn mir etwas wichtig ist. Oder vielleicht sind mir Dinge auch erst wichtig, weil ich perfektionistisch bin. Das habe ich noch nicht so genau herausgefunden. Manchmal klammere ich mich aber auch an Dinge, die eigentlich egal wären, das hat dann eher was mit meinem Ego zu tun.
Aber ich glaube, das geht den meisten Menschen so. Deswegen seid ihr herzlich dazu eingeladen, mir von eurem Perfektionismus zu erzählen. Denn der ist ja, wie wir gerade herausgefunden haben, ein eigenständiges Individuum mit eigenem Aussehen und einem eigenem Namen. Nicht?
Ich bin der Meinung das Horst ein besserer Name gewesen wäre. Horst klingt stur und ist das nicht jeder Perfektionist? Stur?
Horst klingt zwar stur, da hast du komplett Recht, aber der Name ist ästhetisch gesehen nicht so schön 😀 Ich würde den doch nicht ständig mit mir rumschleppen wollen ^^
Da hast Du recht — Horst klingt sperrig und schwer… da schleppst Du wirklich was!! 😀
So ein süßer Archie mit seinen Knautschbäckchen, ich sehe ihn richtig vor mir!
Und wenn er dann anfängt zu nörgeln und zu meckern, dann ist er plötzlich so gar nicht mehr süß, und Du würdest ihn wohl manchmal am liebsten in die Tonne treten…
Und wenn er nicht hin und wieder etwas konstruktiver mitarbeitet, z.B. mit einem NETTEN letzten Wort, dann kannst Du ihm vielleicht drohen, künftig mehr in Notizbücher zu schreiben, dann sieht er mal was er davon hat!!!
Aber wie Du so schon schreibst, Perfektionismus ist vor allem dann gut, wenn Dir etwas wichtig ist.
Behalte das bei.
Mein eigener Perfektionismus?
Bei ein paar wichtigen Sachen, z.B. bevor ich etwas veröffentliche.
Und bei ein paar sehr unwichigen… ich werde mal ein Foto vom Besteckfach unserer Spülmaschine machen… XD
LG
Dann heißt dein Archie vielleicht Spüli?? 🙂
Aaach, ich will doch Archie nicht in die Tonne treten, weil, wie gesagt, er ist ein Teil von mir. Wenn ich ihn in die Tonne treten würde, wo käme ich dann denn hin? xD Und was die Spülmaschine angeht, da stimme ich Frisou voll und ganz zu: Dein Perfektionismus sollte Spüli heißen. Ja. Definitiv.
LG zurück.
Ich kenne das Gefühl nur zu gut! Ich hab auch einen Archie… Vielleicht heißt meiner anders, hab ich mir noch nicht überlegt… Es gibt Dinge, bei denen ich perfektionistischer (?) als bei anderen bin… Bei Texten erstaunlicherweise eher weniger… Eher bei Sachen wie Rechtsschreibung und Zeichensetzung, was meine Freunde immer in den Wahnsinn treibt, wenn ich sie ständig auf Fehler hinweise. Oder bei so richtig unnötigen Sachen, wie die Pizzapackungen in der Tiefkühltruhe (Du kennst ja meinen Text über den Kleiderschrank, da kommt das vor)… ja und eben bei so richtig blöden Sachen… Vielleicht will ich immer alles kontrollieren, vielleicht hab ich auch eine Vorstufe von OCD… Wer weiß?
Oh ja, absolut, bei Rechtschreibung und so Zeug bin ich auch so pingelig, und irgendwann ist jeder genervt von mir 😀 Ich glaube übrigens auch, dass das sehr stark mit Kontrolle zusammenhängt, so in dem Sinne, dass man manchmal einfach jede kleine blöde Kleinigkeit perfekt haben will, und dass man außerdem so Sachen nicht gerne andere Menschen machen lässt.
Und ja, das Wort perfektionistischer gibt es (ich finde jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass es das nicht gibt ;)).