Die Luft brennt in meiner Nase. Es ist noch nicht Nacht, aber im Himmel schon. Die Straßenlaternen sind hell. Die Luft streicht über unsere Haut, über mein Gesicht und die Kopfhaut, über meine Hände. Der Wind versucht, in meine Ärmel zu kriechen. Ich ziehe die Ärmel weiter runter, sodass er nicht mehr rein kann. Wir fangen an zu rennen. Ich weiß selber nicht so genau, warum. Jemand von uns hat auf sein Handy geschaut, jemandes Handy hat vibriert, jemand am anderen Ende der Leitung hat gesagt, beeil dich. Deswegen beeilen wir uns jetzt alle. Wir rennen über die unebenen Pflastersteine. Ich spüre, wie jeder Schritt in meinen Beinen vibriert. Wir sind fünf Menschen, und jetzt sind wir eine Gruppe von fünf. Die Leute gucken von außen auf uns drauf und sehen, wie wir über einen schlechten Witz lachen, so dass es beim Einatmen hickst, und hören unsere fünf Paar Schuhe, die zehnmal auf den Boden trommeln. Dann packen sie ihren Kinderwagen oder ihre Einkaufstasche, und sie gehen weiter und beachten uns nicht mehr. Wir sind nur noch vier plus eins, denn jemand hat am Handy gesagt, du musst dich mehr beeilen, also hat sie sich mehr beeilt und ist schneller gelaufen als wir anderen. Die Jacke bläht sich auf und fällt zusammen, als sie hinfällt. Die Hände nach vorne ausgestreckt, mit dem Handy noch in der einen Hand und dem flatternden Mantel. So halb am Bordstein entlang. Ganz stumm, so dass man den Bordstein hört und die Sohlen darauf und wie sie abrutschen. Erst denke ich, sie hat sich was gebrochen oder schlimmer, weil sie so verdreht daliegt, aber dann steht sie auf, das Handy noch immer in der Hand, und rennt weiter. Wir lachen, ein bisschen erleichtert. Wir holen sie ein. Wir sagen hastig tschüs, denn anscheinend ist es wirklich knapp. Alle gehen rechts und ich gehe links. Meine Schritte vermischen sich mit allen anderen Schritten. Ich gehe zwischen gemurmelten Worten und lauten Stimmen unter. Mein Handydisplay ist ein weiteres Licht unter den anderen Handydisplays. Das Freizeichen ist dumpf an meinem rechten Ohr. Hier ist der Anrufbeantworter der Familie — ich drücke weg. Die Ladenschilder leuchten, obwohl die Läden schon zu haben. Ich sehe den Menschen ins Gesicht und schaue keinen von ihnen an, genauso wie sie mich sehen und nicht anschauen. Ich schiebe das Handy wieder in meine Jackentasche und fühle sein Gewicht dort, und wie mein Rucksack mit jedem Schritt auf und ab hüpft.
Wunderschön, diese Kürzestgeschichte. Man fühlt den WInd, fühlt mit, rennt mit, erschrickt beim Sturz.
Ganz toll 🙂
Kürzestgeschichte, haha. Danke 🙂