Hier sitze ich also und starre auf das Blatt. Das Papier vor mir, mit den Wörtern und den durchgestrichenen Wörtern und den Anmerkungen, und auch mit den reingerissenen Linien, vor Frust. Ich kaue auf meinem Stift und starre dieses Blatt einfach nur an, und da kommt wieder dieses Gefühl in mir hoch. Ich kann mich nie ganz entscheiden, ob es Wut ist oder Zuversicht. Das hier ist mein vierter Versuch, welches der beiden Gefühle passt da am ehesten?
Da gibt es dieses Ding, das in den unpassendsten Momenten in mich fährt. So heftig, dass ich gerade meine Pizza stehen gelassen habe. Einfach aufgestanden und rausgerannt bin, weil da war etwas in meinem Kopf, einen winzigen Moment lang, und wenn man es schonmal nicht getan hat, weiß man, dass man es tun muss. Es festhalten. So lange, bis man den nächsten Stift erreicht hat. Und dann schreibt man etwas und hofft, dass es so gut ist wie dieser Blitz beim Pizzaessen es versprochen hat.
Aber jetzt, wo alles aus meinem Kopf raus ist, starre ich dieses Blatt an, während ich meine Fingernägel in meine Beine grabe, und sehe die Geschichte, die Beschreibungen, die Sätze, die alle nicht ineinander passen. Wie wenn man versucht, aus mehreren Puzzles ein neues zu machen. So habe ich das vorhin meiner Mama erklärt, als ich über meine drei letzten Versuche geredet habe. Ich stand zusammengekauert auf einem Stuhl und sie hat die Stirn gerunzelt und ihre Haare mit den Fingern gekämmt. Sie fand es weit hergeholt, aber es ist nun mal so, wie es ist.
Glaubst du, man kann etwas verlernen, das man eigentlich kann?, habe ich sie gefragt und angefangen, ein bisschen an meinem Nagellack herumzukratzen. Wenn man es schon immer kann, weil es zu einem dazugehört, weil man, ohne das zu tun, eine andere Person wäre. Sie hat gerade die Pizza aus dem Ofen geholt und dabei eine Hitzewolke ins Gesicht bekommen. Natürlich fand sie, dass das nicht geht.
Ich sitze auf dem Stuhl, die Tür ist geschlossen, es ist so still, dass mein Atmen fast unangenehm laut ist. Irgendwo tickt eine Uhr, ich unterbreche sie ständig, weil ich mit den Fingern auf den Tisch trommele. Ich sitze hier und wackele mit den Zehen und kann keine Faser stillhalten, weil ich das Papier so, so gerne klein zusammenknüllen würde. Weil meine Mama eben doch nicht recht hat, oder vielleicht schon. Vielleicht weiß es auch einfach keine von uns beiden.
Ich mag das. Und ich kenne das, dieses Gefühl, man muss jetzt unbedingt etwas aufschreiben, das Gefühl, es muss jetzt einfach raus. Ich nenne es, wie du weißt, liebevoll Kreative Kotze. In diesem Sinne wünsche ich dir, dass du bald mal wieder kotzen kannst. Wird schon.
Kreative Kotze. Danke, danke.
Also, es ist sehr sehr seeeehr unwahrscheinlich, dass du plötzlich verlernst zu schreiben… Dafür schreibst du viel zu oft… Das ist nicht wie bei einer Sprache, die man verlernt, weil man sie zu selten spricht… Du schreibst, weil dieser kleine große Blitz dich plötzlich angetrieben hat… Aber vielleicht steckt der Blitz gerade irgendwo fest… Wenn du verstehst, was ich meine… Aber klar, frustriert sein kenne ich… Und zu der anderen Sache, ich fühle mich bei manchen Personen auch unwohl, meine Texte vorzulesen… Bei bestimmten Gedichten finde ich es zum Beispiel furchtbar, sie vorzulesen, aber ich finde es okay, wenn die andere Person sie liest… Ich will sie nur nicht vorlesen…
oooow, wie lieb von dir! Und ehrlich gesagt glaube ich auch nicht, dass man sowas verlernen kann, es ist nur manchmal so unfassbar frustrierend, wenn es nicht vor und auch nicht zurück geht und du gleichzeitig viel zu hohe Ansprüche an dich selbst hast. Und ich stimme dir zu, ich lese meine Sachen nicht gerne Leuten, die ich gut kenne (und die nicht schreiben, in der Schreibwerkstatt ist das was anderes) vor. Ich glaube auch, dass mir das in Menschenmengen viel einfacher fällt als bei einzelnen Personen, keine Ahnung, warum :D.