Menschen, ich habe mein erstes Rezensionsexemplar bekommen. Die Tanzenden von Victoria Mas. Es kam an einem Donnerstagabend bei mir an, und nachdem ich es, zuerst ziemlich erwartungslos geöffnet habe, musste ich einen kleinen Freudentanz machen. Danke, Piper, ihr habt meinen Donnerstag gerettet.
Das Buch soll, nachdem das Erscheinungsdatum verschoben wurde, am 06. Juli rauskommen. (Die deutsche Übersetzung jedenfalls. Das Original auf Französisch, le bal des folles, gibt’s schon seit August letzten Jahres.)
So. Jetzt zum wichtigen Teil.

Worum geht’s?
Ganz Paris will sie sehen: Im berühmtesten Krankenhaus der Stadt, der Salpêtrière, sollen Louise und Eugénie in dieser Ballnacht glänzen. Ob die Hysterikerinnen nicht gefährlich seien, raunt sich die versammelte Hautevolee zu und bewundert ihre Schönheit gerade dann, wenn sie die Kontrolle verlieren. Für Louise und Eugénie aber steht an diesem Abend alles auf dem Spiel: Sie wollen aus ihrer Rolle ausbrechen, wollen ganz normale Frauen sein, wollen auf dem Boulevard Saint-Germain sitzen und ein Buch lesen dürfen, denken und träumen und lieben dürfen wie die Männer.
Mein Senf
Es gibt Bücher, für die braucht man ewig, und es gibt Bücher, die hat man in einem Rutsch durch, und dann gibt es Bücher, die man zwar in einem Rutsch durchhaben könnte, aber man lässt sie sich auf der Zunge zergehen. Wie ein gutes Stück Bitterschokolade.
So ein Buch war das.
Es ist leicht und unheimlich klar formuliert. Außerdem ist es in der dritten Person Präsens geschrieben, und auktorial, was eine eher ungewöhnliche Form ist, an die ich mich auch lange nicht gewöhnen konnte, aber seit Der Zopf habe ich anscheinend begonnen, ein richtiger Fan davon zu werden. Jedenfalls, die Perspektive hat einfach zum Buch gepasst, weil sie definitiv geholfen hat, diese Leichtigkeit im Schreibstil zu transportieren. (Falls das gerade irgendeinen Sinn macht.) Ich denke, es ist vor allem auch die Einfachheit der Beschreibungen, wie die ganzen Details scheinbar mühelos erwähnt und mit in die Geschichte eingeflochten werden, die dem Buch seinen Charakter geben.
Die Tanzenden ist quasi eine Hymne an die Frauenrechte.
Aber eine, die ihre Botschaft leise transportiert, mehr wie ein sanft heranrollendes Etwas als wie eine Wucht.
Als Leser begleitet man abwechselnd drei Frauen: Louise ist 16 und bereits seit Jahren in der Salpêtrière. Geneviève, die leitende Krankenpflegerin, hat sich über die Jahre von jeglicher Empathie distanziert und erledigt ihren Job streng und ordentlich. Ihre Religion ist die Medizin, was es heißt zu glauben, hat sie nie verstanden. Eugenie will mit den Männern in die Salons, nach draußen in die Welt, aber ihr Vater interessiert sich nur für ihren Bruder. Sie kann Geister sehen, aber darf es niemandem erzählen; sie würde sonst eingewiesen werden.
Das Buch beschreibt eine Zeit, in der Frauen allein dazu da waren zu heiraten (und von ihren Männern oft genug misshandelt wurden) und in der sie, sobald sie aufbegehrten, eine eigene Meinung äußerten oder auf welche Art auch immer aus der Reihe fielen, in die Nervenheilanstalt eingwiesen wurden. Im Buch wird die Salpêtrière beschrieben als „[e]in Gefängnis für diejenigen, die sich einer eigenen Meinung schuldig gemacht hatten“.
Als Leser erlebt man den Alltag in der Salpêtrière mit und wie abgeschottet sie vom Rest der Welt ist. Die Hysterikerinnen sind etwas, worüber die Leute reden, spekulieren, aber auch etwas Aufregendes, das sie anzieht. Etwas, das sie nicht kennen und nicht einschätzen können, aber das mit einer großen Faszination verbunden ist.
Lest das Buch
Die Tanzenden erzählt von mutigen Frauen, die trotz der Unterdrückung ihren eigenen Weg gehen wollen. Sie erheben ihre Stimme und versuchen auszubrechen aus dieser patriarchalen Gesellschaft. Und es ist einfach nur toll geschrieben. Lest es. Bitte.